Roselies, Seite 5

Dort, wo wir am Volkstrauertag 2015 an unseren Gedenksteinen der gefallenen Kameraden und Opfer der beiden Weltkriege gedachten, ist wieder Ruhe eingekehrt. Befürchtungen, dass die Stadt Braunschweig und andere Gruppierungen Einfluss auf die Durchführung nehmen könnten, haben sich nicht bestätigt. Nach einjähriger Bedenkzeit zu seiner Aussage „Bei allen Kranzniederlegungen sollte klar sein, wo und wofür man dieses tut.“ ist der Oberbürgermeister der Stadt Braunschweig, Herr Markurth (SPD), zu der Erkenntnis gekommen, dass von den Braunschweiger Traditionsvereinen an den Gedenksteinen im Ehrenhain kein Ehrenkult betrieben wird. Daher hat er durch Bürgermeisterin Frau Harlfinger (CDU) einen Kranz der Stadt Braunschweig niederlegen lassen. Leider fehlten die Bürgermeisterinnen Frau Ihbe (SPD) und auch Frau Rohse-Paul (Bündnis 90/Die Grünen), die sonst so oft an den Volkstrauertagen ihre Anteilnahme mit uns zum Ausdruck brachten. Erspart geblieben ist uns auch eine durch eine Vertreterin des Friedenszentrums Braunschweig angedachte Ansprache, wie in der Zeitung der BIBS Nr.14/7, Jahrgang vom Nov./Dez. 2015, Seite 4 zu lesen ist. Weitere Informationen über die Gedenkveranstaltung Volkstrauertag 2015 finden Sie in unserer Website unter Veranstaltungen 2015, Volkstrauertag 2015.

Bevor ich auf den Bericht der Historikerkommission eingehe, möchte ich noch auf einen Artikel der Braunschweiger Zeitung hinweisen (Siehe auch Der Ehrenhain, Webseite 5). Am Mittwoch, 01. Oktober 2014, schrieb dort Herr Noske: „In Roselies vor den Toren der Hauptstadt Brüssel (Anmerkung: Entfernung bis Brüssel 80 km, Braunschweig bis Hannover ca.70 km), verübte das Braunschweigische Infanterie-Regiment 92  mit Soldaten nicht nur aus Braunschweig, sondern aus dem gesamten Herzogtum, am 22. und 23. August 1914 ein Massaker an der Zivilbevölkerung: Nach heftigen Kämpfen mit starken eigenen Verlusten wurden Einwohner von den Soldaten des Infanterie-Regiments 92 in die Häuser getrieben - und die Häuser anschließend angezündet. Ein Kriegsverbrechen, das in Braunschweig noch nicht aufgearbeitet ist.“  Also an beiden Tagen Massaker! Das ist eine eindeutige Aussage seinerseits! Aber woher hatte er das? Anmerkung: Massaker steht für Gemetzel, Blutbad, Abschlachtung, Massenmord.

Seine weiteren Berichte und die anderer Redakteure der BZ sind in den vorherigen Seiten eingestellt. Sein letzter Bericht am 17. Sept. 2015: Historiker berichten von Kriegsverbrechen in Roselies, siehe dazu Roselies, Seite 4. Zum gleichen Thema schreibt die neue Braunschweiger“ am 23. Sept. 2015: Belgische Zivilisten gleich zweimal Opfer in Roselies 2014. Eine etwas andere Betrachtungsweise !  

Die genannten Quellenangaben in den mir vorliegenden Bericht der Historiker sind umfangreich. Doch die, die den tatsächlichen Ablauf des Gefechts in Roselies schildern, sind rar. Immer wieder wird hier auf das Buch von Friedrich Freiherr von Sobbe "Die Geschichte des Braunschweigischen Infanterie-Regiments 92 im Weltkrieg 1914-1918", (Anmerkung: Die Schlacht von Namur, a) Gefecht bei Roselies) und auch auf Tagebuchaufzeichnungen zurückgegriffen, die Soldaten des Inf-Regiments 92 aufgezeichnet haben. U. a. wurde auch ein Buch von Georges Gay herangezogen, um die Gesamtlage des Gefechts von Charleroi -zu damaliger Zeit ca. 6 km westlich von Roselies- aus französischer Sicht mit einzubinden.

Doch wie aussagekräftig/glaubwürdig sind Berichte, die teilweise Jahre später verfasst wurden? Dazu eine Anmerkung am Ende dieser Seite. Hier hat auch das Historikerteam teilweise Zweifel gehabt. Und trotzdem kommen sie zu dem Schluss, dass in Roselies massive Kriegsverbrechen begangen worden sind. War etwas anderes zu erwarten? Doch ein Massaker, wie Herr Noske schreibt? Nein! Die 1923 erschienenen belgischen „Rapports et Dokuments d´ Equete, Band 1, Nr. 2“ berichten von 4 getöteten Zivilisten (3 aus Roselies), erwähnen aber sonst keine weiteren zivilen Opfer, 160 Plünderungen und 91 Brandschäden (teilweise durch Brandstiftungen). So nachzulesen bei Wikipedia bzw. im Bericht der  Historikerkommission.

In dem Bericht sind viele Passagen kritisch zu betrachten, da die Angaben in den Quellen erst später erfasst bzw. ermittelt wurden, nicht eindeutig, oft ungenau und teilweise widersprüchlich sind, wie z.B. Angaben zu Tageszeiten. Auch sind aus militärischer Sicht in der Gesamtbeurteilung nicht ausreichend Licht-, Zeit- und Geländegegebenheiten und der schnelle, sich immer wieder ändernde Kampfverlauf hinreichend berücksichtigt.

Am 21. Aug.14 hatte das InfRgt. 91 Roselies - ca 1280 Einwohner - genommen, sich wieder zurückgezogen bis zur Sambrebrücke und diese besetzt gehalten. Am 22.08 um ca. 05.00 Uhr wird die Brückenbesatzung durch Teile des Inf-Regiments 92 abgelöst, Tergnée und die nördlich von Roselies liegende Eisenbahnlinie besetzt. Lt. Historikerbericht wurde der Spitzenkompanie der Weg nach Roselies von einer namentlich genannten dazu gezwungenen Geisel gezeigt, die zwei Tage später in Roselies erschossen gefunden wurde. Zweifel sind hier angebracht, ob diese tatsächlich dazu gezwungen wurde, da außer einer französischen Quelle aus dem Jahr 1919 keine anderen Quellen davon berichten. Von der Eisenbahnlinie auf direkter Straße bis zu den ersten Häusern von Roselies waren es ca. 250 m, zum Ortskern ca. 900 m. Warum und wozu hier eine als Wegweiser gezwungene Geisel einsetzen? Der Weg war doch bekannt. Und welch ein Risiko ging von dieser Person aus, sollte sie trotz der zu erwartenden Konsequenzen den Feind warnen, sollte doch nach Sobbe der Anmarsch auf Roselies so geräuschlos wie nur möglich geschehen. Nicht erwähnt ist, wer sie gefunden und nicht geklärt ist, wer die Geisel erschossen hat, laut Bericht nicht von deutschen Soldaten des Inf-Regiments 92. Wurde sie etwa als Verräter erschossen? Hier ist noch vieles unklar.

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Weiterhin ist die Feststellung, französische - sie sollten Roselies für die Verteidigung bereit machen - und deutsche Soldaten nahmen an, in einen Hinterhalt geführt (?) zu sein, schwer vorstellbar. Wäre aus französischer Sicht dieses der Fall gewesen, wären sie mit großer Wahrscheinlichkeit auf eine breit gefächerte Feuerstellung der Deutschen gestoßen. Dieses war aber nicht der Fall, da beide Anmarschspitzen auf der Hauptstraße aufeinander trafen. Anders sah es aus deutscher Sicht aus. Sobbe schreibt von einem Auftreffen auf in Anmarsch befindliche französische Soldaten in Ortsmitte, dann aber von einem starken Gewehrfeuer aus den umliegenden Häusern. Sofern sich zu diesem Zeitpunkt keine französischen Soldaten in den Häusern befanden, da diese angeblich erst auf der Straße im Anmarsch, stellt sich die Frage, wer diese Schützen waren? Waren es belgische Zivilisten? Wenn ja, sind einige Ereignisse anders zu bewerten.

Dieser Aspekt ist in dem Bericht des Historikerteams vollständig ausgeklammert, obwohl bei Wikipedia zu lesen ist: Am 21 Aug. rang die deutsche 2. Armee beim Durchmarsch von Charlerois mit belgischen Insurgenten …, (Insurgenten siehe Wikipedia).
…war (Anmerkung: der Vormarsch) in den planmäßig zur Verteidigung eingerichteten Vororten von Charleroi ins Stocken geraten. Beim Durchschreiten des Ortsteiles von Monceau-sur Sambre wurde die deutsche Vorhut heftig von den Einwohnern beschossen, es folgten erbitterte Straßen- und Häuserkämpfe,  ...Monceau wurde darauf  westl. von der 2. Garde-Reserve-Div umgangen...

In ihrer Zusammenfassung schreiben sie: Getrieben von einer pathologischen Furcht vor einer feindlich gesinnten belgischen Bevölkerung und einer tiefsitzenden, sich ständig selbst verstärkenden Angst- psychose angeblicher Heckenschützen gegenüber, …  Waren die Befürchtungen der Soldaten grundlos? Nein! Warum also diese einseitige Darstellung?

Sobbe schreibt in seinem Buch, Leutnant Baron von Wrangel ließ etwa 15 Schuldige erschießen. Was war mit Schuldige gemeint? Aus Roselies aber waren sie nicht. An deren Erinnerungsmale sind keine Hinweise darauf zu finden, auch nicht auf die Geisel, die angeblich der 8. Kompanie den Weg nach Roselies zeigen musste. Aber in Tergnée sollen 14 Zivilisten und zwei französische Soldaten erschossen worden sein. Einer von 4 Überlebenden dieser Erschießung machte 1919 dazu eine Aussage, die aber mit der von Sobbe nicht in Einklang zu bringen ist. Dann der Hinweis der Berichtschreiber, Sobbe vermische seine spärlichen Informationen mit einem weiteren Kriegsverbrechen, das etwa zeitgleich zu der beschriebenen Hinrichtung der Geiseln aus Farciennes in Tergnée stattfand. Wo genau fand diese Hinrichtung statt? Warum nur dieser unkonkrete Hinweis? In ihrer Zusammenfassung kommt dann das Team zu dem Schluss, dass die Erschießung wahrscheinlich aus Vergeltung stattfand. Hier fehlt die klare Aussage, was es denn zu Vergelten gab.
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Dann heißt es weiter: „zwischen 05,30 Uhr und etwa 06,00 Uhr, parallel zum Sonnenaufgang, die Kämpfe waren abgeflaut, durchsuchten Soldaten des Inf-Regiments 92 die umliegenden Häuser nach französischen Soldaten und befestigten die Barrikaden. Die Häuser wurden gewaltsam betreten (ja wie denn sonst, anklopfen und auf ein „Herein“ warten?) und teilweise geplündert“. Von 160 Plünderungen spricht auch der o.g. belgische Untersuchungsbericht. Gibt es Aufzeichnungen von den entwendeten/geraubten Gegenständen? Natürlich fällt auch das Entnehmen von Hausgegenständen und Mobiliar für den Barrikadenbau unter den Begriff Plünderung. Für die Soldaten eine militärische Notwendigkeit, um den Eigenschutz zu erhöhen, aus Sicht der Geschädigten Plünderung, aus Sicht des Historikerteam ein Kriegsverbrechen.

Dann: Flüchtende Bewohner wurden beschossen, zwei von ihnen getötet. Die Namen dieser Personen sind auf der rechten Stele des Kriegerdenkmals in Roselies verewigt. Doch haben die Soldaten dieses wirklich mit Absicht getan, oder nahmen sie bei den noch immer unklaren Sicht- und Lichtverhältnissen an, dass es sich um flüchtende französische Soldaten handelte? Hier aber kommt die Kommission einfach zu dem Schluss, dass dieses mit Absicht geschah und keiner zur Rechenschaft gezogen wurde und somit Kriegs- verbrechen waren. Tatsache ist, dass in Roselies 4 Kompanien des Inf-Regiments 92 (ca. 700 - 800 Mann) auf engem Raum über Stunden im Feuerkampf waren. Wer konnte und sollte denn wen belangen, wenn kein Täter aus der Masse der Schießenden erkennbar war? Oder sind dem Historikerteam die
Schützen bekannt? Wie sind sie zu dieser Feststellung gekommen, liegen Beweise für den Vorsatz vor? Hier muss das Historikerteam noch Unklarheiten  beseitigen. Auch muss hier nochmal darauf hingewiesen werden, dass der Abbé Joseph Pollart nicht von Soldaten des Inf-Regiments 92 erschossen worden ist.

Aufgefallen in dem Historikerbericht sind mir mehrere Bemerkungen über den Einsatz deutscher Artillerie mit dem Hinweis, dass diese in Roselies eine Vielzahl von Häuser zerstörte und in Brand geschossen hat, was beim Beschuss von Roselies durch französische Artillerie nicht erwähnt wird. Warum?

Diese Seite soll von deutschen Soldaten des Inf-Regiments 92 gemachten Fehlern und Unrechtmäßigkeiten in Roselies in keiner Weise beschönigen. Doch um den Bericht in jeder Hinsicht glaubhaft zu machen, müssen noch viele weitere Detailfragen zu den im Bericht genannten Vorgängen geklärt werden.

Und was hat Herr Noske dazu geschrieben, dass kein wie von ihm zitiertes Massaker in Roselies stattgefunden hat? Nichts, nur die  Aussage von Herrn Ole Zimmermann fett gedruckt: 

„Keiner der beteiligten Soldaten wurde für die begangenen Taten belangt.“

Hier noch ein Hinweis auf die Glaubwürdigkeit von Aussagen und seien sie schriftlich verfasst, niedergelegt oder archiviert. Auf Seite 9 habe ich deutlich gemacht, dass das Braunschweiger Presseamt unrichtige Angaben (wer hat sie dem Presseamt gegeben?) der BZ übermittelte, die diese für einen fehlerhaften Zeitungsartikel nutzte.Was wären beide Informationen nach 100 Jahren noch wert?!

Ich bin mir bewusst, dass Viele die Frage stellen, was das alles mit unserem Ehrenhain zu tun hat. Die Antwort darauf muss jeder für sich selbst finden. Mein Beitrag soll dazu beitragen, nicht alle Berichte der Medien und den des Historikerteams einfach zur Kenntnis zu nehmen, sondern sie aus einer anderen Blickrichtung zu betrachten und auch zu hinterfragen.

24.01.2016                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      Armin Lienstädt



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